Landwirtschaft Arbeitsschutz

Arbeitssicherheit in der Landwirtschaft

Die Arbeitssicherheit in der Landwirtschaft ist sozusagen „ein raues Feld“, das von besonderen Herausforderungen geprägt wird: Saisonale Arbeitsspitzen im der Frühjahrs- und Erntesaison, wechselnde Witterungsbedingungen, der Umgang mit schweren Maschinen und Tieren sowie das Arbeiten im Freien auf oft unebenem Gelände. All das stellt hohe Anforderungen an die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Hinzu kommt, dass viele landwirtschaftliche Betriebe als Familienbetriebe geführt werden, in denen unterschiedliche Altersgruppen und häufig auch ungelernte Arbeitskräfte mitarbeiten. Die Vielfalt der Tätigkeiten – von der Feldarbeit über die Tierhaltung bis hin zur Forstarbeit – bringt ein breites Spektrum an Gefährdungen mit sich, sodass für die Arbeitssicherheit in der Landwirtschaft häufig spezifische Schutzmaßnahmen erforderlich sind.

In diesem Beitrag erläutern wir häufige Gefährdungen in landwirtschaftlichen Betrieben und wie diese u. a. mithilfe einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung reduziert werden können.


Arbeitsunfälle in der Forst- und Landwirtschaft

Ein Blick auf die Unfallstatistik in der Forst- und Landwirtschaft zeigt, wie wichtig ein erhöhter Arbeitsschutz in dieser Branche ist. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 57.608 meldepflichtige Arbeitsunfälle registriert. Meldepflichtig sind Arbeitsunfälle dann, wenn eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 Tagen vorliegt oder wenn sie tödlich enden.

Die Anzahl der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitsunfälle 2023 bedeutet zwar einen Rückgang um 2,4 % gegenüber dem Vorjahr 2022. Trotz dieser positiven Entwicklung ist die Zahl der tödlichen Unfälle jedoch gestiegen.

„Im Durchschnitt stirbt in Deutschland gemäß den Erhebungen der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) etwa alle fünf Tage ein Landwirt und alle zehn Tage eine im Forst beschäftigte Person an den Folgen eines Arbeitsunfalls.“  

Die wichtigsten Zahlen der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im Agrarbereich:

  • 32.217 Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft (58 %) – (davon entfielen 13.017 Unfälle allein auf die Nutztierhaltung)
  • 17.911 Unfälle im Gartenbau (32 %)
  • 5.351 Unfälle in der Forstwirtschaft und Jagd (10 %)

(Quelle: Arbeitsunfälle in der Land- und Forstwirtschaft rückläufig – aber mehr Tote | Forstpraxis)


Schwer kalkulierbares Unfallrisiko bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten

Die Arbeitssicherheit nimmt in der Landwirtschaft einen besonders hohen Stellenwert ein, weil hier ein außergewöhnlich breitgefächertes und ebenso schwer kalkulierbares Unfallrisiko vorliegt.

Deshalb sind Prävention, regelmäßige Schulungen und die konsequente Umsetzung und Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft umso wichtiger, um Unfälle zu reduzieren und die Gesundheit der Beschäftigten langfristig zu verbessern.


Was ist ein landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Arbeitsschutzes?

Als landwirtschaftlicher Betrieb in Deutschland gilt jede Einheit, die land- oder forstwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet oder über solche Flächen verfügt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betrieb im Haupt- oder Nebenerwerb geführt wird. Entscheidend ist die tatsächliche Ausübung land- oder forstwirtschaftlicher Tätigkeiten, nicht die Größe des Betriebs oder die Zahl der Beschäftigten.

Sobald in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz umzusetzen. Diese Pflicht gilt unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten, sodass auch kleine Familienbetriebe oder Betriebe mit nur wenigen oder saisonal angestellten Arbeitskräften den Arbeitsschutzbestimmungen unterliegen.


Arbeitgeberpflichten in der Landwirtschaft

Gerade in kleineren, familiengeführten Landwirtschaftsbetrieben sehen sich Landwirte häufig vor allem als „Mitarbeiter auf dem eigenen Hof“ – was sie ja auch sind. Doch sobald sie Beschäftigte einstellen, ob Familienangehörige oder externe Mitarbeiter, übernehmen sie zugleich die Rolle des Arbeitgebers. Damit unterliegen sie sämtlichen gesetzlichen Bestimmungen, die auch für nicht-landwirtschaftliche Betriebe gelten.

Das Arbeitsschutzgesetz  (ArbSchG) verpflichtet Arbeitgeber gemäß § 3 ArbSchG und § 5 ArbSchG dazu, die Sicherheit und Gesundheit aller Beschäftigten systematisch zu schützen. Ein zentrales Element ist die Gefährdungsbeurteilung: Für alle im Betrieb anfallenden Tätigkeiten müssen mögliche Gefährdungen schriftlich erfasst, bewertet und geeignete Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Diese Gefährdungsbeurteilung ist für jeden Betrieb – auch mit nur einem Beschäftigten – vorgeschrieben und muss regelmäßig aktualisiert und dokumentiert werden. Ergänzend dazu ist mindestens einmal jährlich eine Unterweisung der Mitarbeiter zu den relevanten Gefahren und Schutzmaßnahmen durchzuführen (§ 12 ArbSchG).

In weiterer Folge konkretisiert die Arbeitsstättenverordnung (insbesondere § 3a ArbStättV und § 4 ArbStättV) diese Pflichten und legt fest, wie Arbeitsstätten gestaltet und ausgestattet sein müssen, um sichere und menschengerechte Bedingungen zu gewährleisten:

Für alle bebauten Flächen eines landwirtschaftlichen Betriebs, wie Gehöfte, Stallungen, Maschinenhallen oder Gewächshäuser, gelten die vollständigen Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung. Dazu zählen unter anderem sanitäre Einrichtungen, Pausenräume, Flucht- und Rettungswege sowie Vorschriften zur Kennzeichnung und zum Nichtraucherschutz. Für Felder und unbebaute Flächen gelten eingeschränkte Vorgaben, wobei der Nichtraucherschutz und die Sicherheitskennzeichnung weiterhin verpflichtend sind.


Die wichtigsten Regelwerke für die Arbeitssicherheit in der Landwirtschaft im Überblick:


Gesetz / Vorschrift
 
  Paragraf       Inhalt / Schwerpunkt
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)           § 3 ArbSchG     § 5 ArbSchG § 12 ArbSchG     Grundpflichten des Arbeitgebers   Gefährdungsbeurteilung   Unterweisung Arbeitsschutz  
DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“   § 3 DGUV V1 § 4 DGUV V1   Gefährdungsbeurteilung Unterweisung  
Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)   § 1 ASiG   Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit  
Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)   §3 ArbStättV § 3a ArbStättV § 4 ArbStättV   Gefährdungsbeurteilung und Anforderungen für das Betreiben von Arbeitsstätten  
Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)   spezifische Vorgaben     Branchenspezifische Regelungen und Anforderungen  


Jugendliche als Beschäftigte in der Landwirtschaft

Gemäß dem Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG) gelten Personen, die 15 aber noch nicht 18 Jahre alt sind, als Jugendliche. Diese dürfen in einem Beschäftigungsverhältnis nicht mehr als 8 Stunden täglich und nicht mehr als 40 Stunden wöchentlich beschäftigt sein.

Im Umgang mit jugendlichen Arbeitskräften gelten in der Landwirtschaft besondere gesetzliche Regelungen: „In der Landwirtschaft dürfen Jugendliche über 16 Jahre während der Erntezeit nicht mehr als neun Stunden täglich und nicht mehr als 85 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden.“ (Quelle: JArbSchG § 8 Abs. 3)

Besonders in arbeitsintensiven Zeiten wie der Ernte oder bei dringenden Stallarbeiten kommt es häufig zu Überschreitungen der erlaubten Arbeitszeiten. Während viele Jugendliche freiwillig mithelfen und dies meist ohne negative Folgen bleibt, kann es im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen problematisch werden, wenn die gesetzlichen Schutzvorschriften dauerhaft missachtet werden.


Häufige Gefährdungen in der Landwirtschaft

Kaum ein Arbeitsbereich ist so dynamisch und vielfältig wie die Landwirtschaft. Entsprechend breit gefächert sind auch die Gefährdungen, denen Landwirte täglich begegnen. Neben den klassischen körperlichen Belastungen durch langes Stehen, Gehen, schweres Heben und wiederholte Handarbeiten treten zahlreiche weitere Risiken auf.

  • Beim Umgang mit Spritz- und Düngemitteln wie Herbiziden, Pestiziden und Bioziden etwa besteht die Gefahr akuter Vergiftungen, Verätzungen und langfristiger Gesundheitsschäden wie Krebs, Allergien oder neurologischen Störungen. Rückstände in Lebensmitteln und im Grundwasser stellen zusätzliche Risiken dar. Daher sind Schutzkleidung, sachgerechte Lagerung und ein bewusster Umgang mit Gefahrstoffen gemäß der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) verpflichtend.
  • In der Nutztierhaltung drohen Verletzungen durch Tritte oder Bisse sowie Infektionen durch von Tieren übertragbare Krankheiten. Hohe Tierdichte und enger Kontakt begünstigen die Ausbreitung von Zoonosen. Stress und Erkrankungen bei Tieren führen zudem zu einem erhöhten Antibiotikaeinsatz, was wiederum gesundheitliche Risiken für Mensch und Tier mit sich bringt.
  • Die körperlichen Belastungen in der Landwirtschaft sind trotz moderner Maschinen weiterhin hoch: Viele Beschäftigte leiden im Laufe ihres Berufslebens an Verschleißerscheinungen an Knien, Hüfte oder Schultern. Mit zunehmender Automatisierung kommen neue Belastungen hinzu, etwa langes Sitzen auf Maschinen, häufiges Auf- und Absteigen sowie monotone Bewegungsabläufe, die zu Rückenbeschwerden oder Gelenkverschleiß führen können.
  • Auch psychische Belastungen nehmen in der modernen Landwirtschaft zu: Zeitdruck, ein hohes Arbeitspensum, wachsende Managementanforderungen und Bürokratisierung können zu Verspannungen, Erschöpfung und langfristigen Erkrankungen beitragen. Mehr zu den Gefahren durch psychische Belastungen erfahren Sie in unserem Beitrag „Psychische Gefährdungsbeurteilung“.
  • Nicht zuletzt birgt auch die Arbeit mit Maschinen und Geräten wie Traktoren, Erntemaschinen oder Kettensägen erhebliche Unfallgefahren. Besonders bei Wartungsarbeiten oder in unübersichtlichen Situationen kommt es immer wieder zu schweren Verletzungen.


Die Gefährdungsbeurteilung in der Landwirtschaft

Um den angeführten häufigen Gefährdungen in landwirtschaftlichen Unternehmen effektiv zu begegnen, nimmt die Gefährdungsbeurteilung eine wichtige Rolle ein: Arbeitgeber sind verpflichtet, alle Arbeitsbereiche und Arbeitsplätze ihres Betriebes auf mögliche Gefahren zu überprüfen und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Dabei können Bereiche mit ähnlichen Risiken zusammengefasst werden, was die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung deutlich erleichtert und die Planung der Schutzmaßnahmen übersichtlicher gestaltet.

So lassen sich beispielsweise alle Stallbereiche, in denen das Risiko von Tiertritten besteht, gemeinsam betrachten – unabhängig davon, ob es sich um Pferdeställe, Eselgehege oder Rinderhaltung handelt. Auch Gefährdungen durch Tierbisse, etwa bei Schafen oder Schweinen, können in einer gemeinsamen Bewertung berücksichtigt werden.

Für verschiedene Tätigkeitsfelder wie Tierhaltung, Arbeiten an Biogasanlagen, Getreidelagerung oder spezielle Aufgaben wie die Klauenpflege gibt es bewährte Muster für Gefährdungsbeurteilungen. Diese Vorlagen helfen, typische Risiken in der Landwirtschaft wie körperliche Belastungen oder Maschinengefahren systematisch zu erfassen.

Die Gefährdungsbeurteilung ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Dementsprechend muss sie bei veränderten Arbeitsbedingungen oder neuen Tätigkeiten aktualisiert und zeitnah angepasst werden.


Weitere Arbeitsschutzdokumente und -maßnahmen für landwirtschaftliche Betriebe

Neben der Gefährdungsbeurteilung müssen Landwirte, die Beschäftigte anstellen, eine Reihe weiterer Arbeitsschutzmaßnahmen umsetzen. Dazu gehören dokumentierte Erst- und Folgeunterweisungen für alle Mitarbeiter, beispielsweise durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Bereits ab zehn Beschäftigten ist es per Gesetz Pflicht, ausreichend Ersthelfer im Betrieb zu haben (§ 10 ArbSchG – „Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen“).

Werden in landwirtschaftlichen Großbetrieben mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt, müssen zusätzlich ein Sicherheitsbeauftragter benannt sowie ein Arbeitsschutzausschuss (ASA) eingerichtet werden. Dieser Ausschuss tagt vier Mal jährlich (im Rahmen sog. ASA-Sitzungen) und dient dazu, Arbeitsschutzfragen im Betrieb gemeinsam mit allen Akteuren im Bereich Arbeitssicherheit zu besprechen und wirksame Schutzmaßnahmen zu erarbeiten.

Bei weniger als 20 fest angestellten Personen kann alternativ das sogenannte Unternehmermodell mit entsprechenden Fortbildungen im Rahmen der sicherheitstechnischen Betreuung genutzt werden.

Je nach Bedarf ist außerdem ein Betriebsarzt einzubinden (gemäß der Unfallverhütungsvorschrift der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“).


Arbeitssicherheit in der Landwirtschaft: Viel Luft nach oben

Obwohl die Arbeitssicherheit in der Landwirtschaft ein Thema von hoher Relevanz ist (wie die eingangs gezeigten Arbeitsunfallzahlen eindrücklich belegen), sind strukturierte Arbeitsschutzmaßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben noch relativ selten zu finden.

Das mag einerseits der langen Tradition familiengeführter Höfe geschuldet sein. Andererseits erschweren auch die bisherige Eigenständigkeit der Landwirtschaft eine schnelle Etablierung einer modernen Sicherheitskultur, in der Arbeitsschutz als gemeinschaftliche Aufgabe aller Beschäftigten verstanden wird. Hier besteht weiterhin großer Handlungsbedarf, um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden und die Sicherheit aller landwirtschaftlichen Mitarbeiter nachhaltig zu verbessern.


Unsere Unterstützung als Fachkräfte für Arbeitssicherheit

Arbeitssicherheit in der Landwirtschaft bedeutet nicht nur die Einhaltung allgemeiner Sicherheitsstandards, sondern verlangt nach passgenauen und spezifischen Lösungen, die den teilweise sehr unterschiedlichen Bedingungen und Strukturen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe entgegenkommen und alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen.

Unsere erfahrenen Sicherheitsfachkräfte von fachkraft-arbeitssicherheit entwickeln deutschlandweit Arbeitsschutzmaßnahmen, die exakt auf die besonderen Gegebenheiten des jeweiligen landwirtschaftlichen Betriebs zugeschnitten sind.

Durch unsere praxisnahe Beratung und unseren geschulten Blick für betriebliche Abläufe unterstützen wir Sie dabei, Gefahren frühzeitig zu erkennen und wirksame Schutzmaßnahmen für Ihre Mitarbeiter umzusetzen. So helfen wir, Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen zu vermeiden und sorgen für mehr Sicherheit und Gesundheit in Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb.

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