Bei zahlreichen Tätigkeiten am Arbeitsplatz sind gefährliche Situationen nur schwer zu vermeiden. Um Gefahrenquellen zu entschärfen, kommt das STOP Prinzip im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zur Anwendung: Dabei geht es um die Auswahl von unterschiedlichen Schutzmaßnahmen in einer bestimmten Reihenfolge.
In der STOP Maßnahmenhierarchie ist genau festgelegt, welche Sicherheitsmaßnahmen oberste Priorität haben und welche nachrangig behandelt werden können. Anhand eines praktischen Beispiels aus einer Tischlerei erläutern wir die konkrete Anwendung dieses Prinzips.
Was ist das STOP Prinzip?
Als umfassendes Schutzkonzept am Arbeitsplatz vereint das STOP Prinzip sowohl substitutionale, technische und organisatorische als auch personenbezogene Sicherheitsmaßnahmen in einer nicht veränderbaren Reihenfolge: Erst wenn die ranghöchste Stufe ausgeschöpft ist, kommt die nächsthöchste Maßnahmenstufe zur Anwendung.
Die unterschiedlichen Schutzmaßnahmen gelten sowohl für Gesundheitsgefahren als auch Brand- und Explosionsgefahren.
In diesem Kontext bildet das Einhalten von Arbeitsplatzgrenzwerten (AGW) die wesentliche Voraussetzung für Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz. In Deutschland sind die AGW als Mindeststandards im §7 Abs. 11 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) festgeschrieben.
Das systematische Ineinandergreifen der STOP Maßnahmen ermöglicht den Aufbau eines effektiven Sicherheitsrahmen am Arbeitsplatz.
Die gesetzliche Verankerung des STOP Prinzips
Obwohl das STOP Prinzip nicht unter dieser konkreten Bezeichnung im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zu finden ist, wird die darin enthaltene Maßnahmenhierarchie sowohl im §4 ArbSchG als auch in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) § 4 unter den Grundpflichten des Arbeitgebers erwähnt:
„Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, dass Gefährdungen durch technische Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik nicht oder nur unzureichend vermieden werden können, hat der Arbeitgeber geeignete organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen zu treffen.“
(Quelle: § 4 BetrSichV – Einzelnorm)
Darüber hinaus wird die Rangordnung der Schutzmaßnahmen im STOP Prinzip auch in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sowie in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) genannt.
STOP Prinzip oder TOP Prinzip: Was ist der Unterschied?
Basierend auf der Schutzmaßnahmen-Rangfolge nach §4 ArbSchG „technisch – organisatorisch – persönlich“ wird im Arbeitsschutz auch häufig vom TOP Prinzip gesprochen. Im Grunde ist hier dasselbe gemeint.
Als Fachkräfte für Arbeitssicherheit berücksichtigen wir die Substitution ohnehin immer, indem wir uns ansehen, ob man diverse Gefahren nicht entschärfen oder überhaupt vermeiden (substituieren) könnten.
Die Substitution (S) ist vor allem in Verbindung mit Gefahrstoffen von höchster Priorität und wird in der Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe am häufigsten angewendet.
STOP Prinzip: Die 4 Säulen der systematischen Arbeitssicherheit
1. S – Substitution
Die ranghöchste der insgesamt vier Maßnahmen ist in den Technischen Regeln für Gefahrfahrstoffe, konkret in den TRGS 600, als eine Beschreibung der Prüfung von Substitutionsmöglichkeiten zusammengefasst. Wenn Sie als Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung erstellen lassen nach §6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist eine Substitution immer durchzuführen.
Im Arbeitsschutz besteht die rechtliche Substitutionspflicht, die vorschreibt, dass gefährliche Stoffe, Materialien oder Verfahren am Arbeitsplatz durch weniger gefährliche Alternativen ersetzt werden müssen, wenn dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist.
Dabei wird u. a. Folgendes überprüft:
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- Können gefährliche Arbeitsstoffe durch ungefährliche ersetzt werden?
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- Können risikoreiche Verfahren durch sichere Alternativen ausgetauscht werden?
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- Können Gefahrenquellen gänzlich vermieden werden?
2. T – Technische Maßnahmen
Wenn nach einer Substitution festgestellt wird, dass eine Gefährdung durch Chemikalien, Maschinen oder Arbeitsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, kommt die zweite Hierarchieebene des STOP Prinzips zur Anwendung.
Diesbezüglich ist im Arbeitsschutzgesetz §4 ist festgeschrieben, dass „Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen sind. Des Weiteren sind bei den Sicherheitsmaßnahmen der Stand von Technik sowie gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen und individuelle Schutzmaßnahmen gegenüber Technischen Maßnahmen nachrangig“. (Quelle: § 4 ArbSchG – Einzelnorm)
Hier werden beispielsweise folgende Maßnahmen durchgeführt:
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- Einbau von Schutzeinrichtungen
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- Installation von Absauganlagen und Raumlüftung
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- Lärmschutzwände oder Einhausungen
3. O – Organisatorische Maßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen kommen im STOP-Prinzip zum Einsatz, wenn technische Maßnahmen allein keine ausreichende Sicherheit gewährleisten können. Diese beinhalten strukturelle Änderungen in der Arbeitsorganisation und zielen darauf ab, das Sicherheitsniveau zu erhöhen und menschliche Fehler zu minimieren.
Zu den organisatorischen Schutzmaßnahmen des STOP Prinzips gehören die Festlegung von Wartungsplänen, die Regelung von Arbeitszeiten und Pausenzeiten sowie die Erstellung von Betriebsanweisungen. In diesem Zusammenhang ist auch eine regelmäßige Unterweisung Arbeitsschutz ein wichtiger Bestandteil der organisatorischen Schutzmaßnahmen.
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- Festlegung sicherer Arbeitsabläufe
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- Regelmäßige Schulungen und Unterweisungen
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- Kennzeichnung von Gefahrenbereichen
P – Persönliche Schutzmaßnahmen
Als letztes Mittel im STOP-Prinzip dienen persönliche Schutzmaßnahmen, die erst dann eingesetzt werden, wenn andere Schutzmaßnahmen nicht ausreichen. Die persönliche Schutzausrüstung, etwa in Form von Handschuhen oder Schutzbrillen, muss vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und in weiterer Folge gewartet werden.
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- Einsatz von Schutzhelmen, -brillen, -handschuhen
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- Verwendung von Gehörschutz
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- Tragen von Schutzkleidung und Atemschutzmasken
Die Hierarchie der Sicherheitsmaßnahmen beim STOP Prinzip ist verbindlich! Das bedeutet, erst wenn eine Stufe ausgeschöpft ist, kommt die nächste zum Einsatz. |
Quelle: Fachkraft-Arbeitssicherheit.com
Das STOP Prinzip in der Praxis: Arbeitsschutz in einer Tischlerei
Das folgende Beispiel zeigt, wie das STOP Prinzip systematisch und sinnvoll in einer Tischlerei umgesetzt werden könnte. Dabei stehen der Arbeitsschutz und die schrittweise Reduzierung von Gefährdungen am Arbeitsplatz im Vordergrund, auch wenn das für den Arbeitgeber höhere Investitionen in die Arbeitssicherheit bedeuten könnte.
1. Substitution (S): Gefährliche Stoffe, Werkzeuge und Arbeitsverfahren eliminieren
In Tischlereien wird in der Regel mit vielen, zum Teil sehr lauten und scharfkantigen Maschinen gearbeitet. Auch Lösungsmittel, Lacke und Reinigungsmittel können in holzverarbeitenden Betrieben schnell zur einer gesundheitlichen Gefährdung der Mitarbeiter führen. Im ersten Schritt des STOP Prinzips, der Substitution, sehen wir uns an, wie wir gefährliche Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe durch sicherere Alternativen ersetzen können. Wie beispielsweise wasserbasierte Lacke statt lösemittelhaltiger Produkte.
2. Technische Schutzmaßnahmen (T): Gefahren durch technische Lösungen minimieren
In diesem Schritt geht es darum Maschinen und Arbeitsplätze so zu gestalten, dass Gefahren gemildert werden. Maschinen wie beispielsweise Kreissägen könnten mit modernen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet werden, wie etwa Sägeblätter, dies sich bei Kontakt mit Haut automatisch abschalten oder mit Schutzhauben ausgestattet sind.
Darüber hinaus kann eine Absauganlage installiert werden, um Holzstaub zu reduzieren und die Luftqualität in der Produktionshalle zu verbessern oder leisere Maschinen angeschafft werden, wenn die vorhandenen sehr laut sind und zu Gehörschäden führen könnten.
Jetzt könnten Sie vielleicht denken: Ein Gehörschutz als persönliche Schutzmaßnahme tut es auch und kommt obendrein deutlich günstiger. Aber: Wenn es leisere Maschinen gibt, die genau so gut arbeiten wie die vorhandenen Maschinen, sind gemäß Arbeitsschutz und STOP Prinzip leisere Maschinen anzuschaffen, auch wenn eine persönliche Schutzausrüstung kostengünstiger erscheint.
3. Organisatorische Schutzmaßnahmen (O): Sicheres Arbeiten
Bei der Erarbeitung von organisatorischen Schutzmaßnahmen ist es unser Ziel, Arbeitsabläufe und Verhaltensregeln so zu gestalten, dass die Mitarbeitenden sicher arbeiten können. In der Tischlerei beispielsweise könnten klare Arbeitsanweisungen für den Umgang mit Maschinen gegeben werden, verbunden mit regelmäßigen Sicherheitsschulungen für alle Mitarbeiter. Des Weiteren könnten auch feste Arbeitsbereiche eingerichtet werden, um Ablenkungen und Kollisionen beim Arbeiten an den Maschinen zu verhindern.
4. Persönliche Schutzmaßnahmen: Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Hier ist das Ziel, Mitarbeitenden eine individuelle Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen, um sie vor den verbliebenen Gefährdungen zu schützen. Anhand des Beispiels der Tischlerei fallen Dinge wie Gehörschutz, Augenschutz, Handschuhe und Schutzmasken in die persönliche Schutzausrüstung der Mitarbeiter, insbesondere wenn sie mit lautstarken Maschinen (die nicht ersetzt werden können) arbeiten oder vor Holzstaub und chemischen Arbeitsstoffen geschützt werden müssen.
Durch die Anwendung des STOP Prinzips in der Gefährdungsbeurteilung einer Tischlerei wird systematisch dafür gesorgt, dass die Sicherheit der Mitarbeitenden auf jeder Ebene verbessert wird: Von der Reduzierung der Gefahrenquelle selbst bis hin zur Verwendung einer persönlichen Schutzausrichtung.
Das STOP Prinzip erfolgreich umsetzen: Wir unterstützen Sie!
Als erfahrene Fachkraft für Arbeitssicherheit begleiten wir Sie bei der systematischen Umsetzung des STOP Prinzips in Ihrem Unternehmen. Unsere Expertise hilft Ihnen, von der Erstellung Ihrer Gefährdungsbeurteilung bis zur konkreten Maßnahmenergreifung, alle Anforderungen des modernen Arbeitsschutzes zu erfüllen.
Dabei berücksichtigen wir Ihre individuellen betrieblichen Gegebenheiten und stellen sicher, dass alle Sicherheitsmaßnahmen rechtskonform und praxistauglich sind.